Die eierlegende Wollmilchsau, oder: der Internetminister

(Foto von mir)

„Informieren Sie sich!
Beteiligen Sie sich!
Engagieren Sie sich!“
(Aus dem Positionspapier vom CSU-Netzrat (2012: 5))

 

Was ist passiert?

Ich habe es aus einer Randnotiz in meiner Tageszeitung erfahren: der Netzrat der CSU schlägt vor, einen Internetminister einzusetzen. Ende der Information – mehr passt auch nicht in fünf kleine Zeilen. Aber ich habe mir das Positionspapier dieses Netzrates genauer angesehen, denn die kleine und somit stark verkürzte Randnotiz hat mir nicht gelangt. Also, was hat es damit auf sich?

Erst einmal, der CSU-Netzrat ist laut eigener Aussage ein „unabhängiges Beratungsgremium verschiedener Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“ (S. 6), und hat mit diesem Positionspapier vom 16. März sein zweites Pamphlet verfasst. In diesem Papier, betitelt mit „In Freiheit und Fairness“, wird der Einfluss des Internets auf die Gesellschaft behandelt. Genauer gesagt, in den zwei großen Themenkomplexen „Bildung“, in dem es um Themen wie Medienkompetenz und die Auswirkungen des Internets auf den Journalismus geht, und „Sicherheit“, in dem die mögliche kriminelle Seite des Internet beleuchtet wird, ACTA darf da natürlich auch nicht fehlen.

Diesen Komplexen schließen sich Thesen an. Zusammenfassen kann man diese mit „Netzpolitik ist alles“, da ausgeführt wird, dass die Netzpolitik in alle möglichen Politiken hereinreicht, wie Sozialpolitik, Verbraucherschutz, und so weiter, und so fort.

In der zehnten These geht es schließlich um den „Internetminister“, und das schaue ich mir genauer an.

Was meine ich dazu?

Da das Internet in alle Politikarenen hineinreiche, braucht es laut dem CSU-Netzrat einen „Staatsminister für Internet und Digitale Gesellschaft“ (S. 40). Wozu? Er solle eine „Schnittstelle“ (S. 40) sein, der sich im Zusammenspiel mit den traditionellen Ressort als deren Berater um Angelegenheiten der Netzpolitik kümmert.

So weit, so gut – aber so ehrenvoll es auch sein mag, einen „Überberater“ für alle Ressorts einstellen zu wollen, so finde ich persönlich die Ziele zu hoch gesteckt. Es stimmt, das Internet oder eben „die Netzpolitik“, ist aus allen Politikbereichen nicht wegzudenken. Aber genau deshalb denke ich eben nicht, dass es so einfach ist, einen Berater zu all diesen Fragen einzustellen. Die Fragen, die das Internet aufwirft, sind in jedem Bereich anders – technische Fragen sind anders als soziale. Wie soll ein einziger Berater „alles“ wissen? Oder, anders gefragt: wann soll er sich in all die speziellen Fachfragen einarbeiten? Mit allgemeinen Antworten zu den Potentialen und Schrecken des Internets ist es nicht getan, auch und gerade hier in den Bundesministerien nicht.

Aber genau das scheint die Forderung zu sein, wenn ein „Ansprechpartner für rechtliche wie gesellschaftliche Fragen“ (S. 41) gefordert wird. Wer soll das abdecken, wenn es um mehr geht als um allgemeine Postulate? Ein Jurist allein scheint nicht zu langen. Ein Sozialwissenschaftler auch nicht. Und von den ganzen anderen Fachrichtungen, besonders von technischer Seite, will ich gar nicht anfangen. Das sieht nicht nach einem „Berater“ für die anderen Ministerien aus, sondern eben doch wie ein vollwertiges Ministerium mit vielen, vielen Mitarbeitern, das sich überall auskennen muss, und das geht eben nur über einen großen Stab an Fachwissen. Denn wer sonst soll bundeslandübergreifende Abkommen aufsetzen, sich mit allen Ministerien beraten und dabei noch auf europäischer und internationaler Ebene mitmischen (vgl. S. 41)? Ein „Unter-Ministerium“, das als reine Schnittstelle und als bloßer Ansprechpartner fungieren soll? Ich glaube nicht, dass das möglich ist – jedenfalls nicht ohne eine eierlegende Wollmilchsau.

Das Amt wird im Positionspapier außerdem gleich mit einer Wertung besetzt. Der Internetminister solle ein „Garant für die Freiheit des Internets (Hervorhebung von mir) sein“ um „ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten, dabei aber unverhältnismäßige Einschränkungen für die Nutzer zu vermeiden“ (S. 41). Was soll das denn genau bedeuten? Was sind „unverhältnismäßige Einschränkungen“? Und überhaupt: was ist die „Freiheit des Internets“? Heißt das, das Internet soll ein rechtsfreier Raum sein? Wohl kaum, wenn „Sicherheit“ gewährleistet werden soll. Aber was heißt das genau? „Sicherheit“ ist für mich ein sehr weit gefasster Begriff, der von jedem anders gefüllt werden kann. Das Internetministerium, das ja kein vollwertiges Ministerium sein soll, darf keine eigenen Gesetze vorschlagen, soll aber all das garantieren? Das scheint mir schwierig, wenn es keine sprichwörtlichen Zähne hat.

Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass der Internetminister auch als bloßer Berater schnell an seine Grenzen stößt. Nehmen wir zum Beispiel Politiken, die von der Europäischen Union kommen – soll der Internetminister auch hier gleich ansetzen, bei der Europäischen Union, quasi als „Internetlobbyist“ Deutschlands? Oder soll er „nur“ in Deutschland bleiben? In anderen Worten: wo fangen seine Kompetenzen an, und wo hören sie auf? Soll er wirklich „nur“ ein Berater sein?

Fazit

Die Hauptfrage habe ich noch gar nicht gestellt: braucht es so einen Internetminister überhaupt? Reichen nicht die Datenschutzbeauftragten und sonstige Ämter, die sich heute schon damit befassen?

Ich denke, dass im Moment kein „Internetminister“ nötig ist, und dass es ihn so, wie er sein müsste, gar nicht geben kann. Ein Berater ist schön und gut – aber sind die anderen Ministerien verpflichtet, auf seinen Rat zu hören? Wahrscheinlich nicht – und damit kann sich dieses verhinderte Ministerium bei den Datenschutzbeauftragten einreihen.

Aber ich will die Vorschläge des CSU-Netzrates nicht nur schlecht reden. Gerade ich bin immer für neue Ideen zu haben, und finde es richtig, wenn es Positionierungen zu diesem Thema gibt. Sie haben das Thema auf das Tablett gebracht – und vielleicht wird etwas draus gemacht, was auch immer. Das Herausbringen eines solchen Positionspapiers ist jedenfalls ein großer Schritt nach vorne, der den großen Einfluss des Internets erkennt und in die Politik trägt – ein Ort, an dem das Internet noch immer ein Stiefkind zu sein scheint, mit dem sich alle irgendwie beschäftigen, aber keiner richtig. Daher ist es richtig und wichtig, dass solche Vorschläge gehört und diskutiert werden. Und das in mehr als in einer Randnotiz in der Zeitung und den Blogs der „Internetnerds“ dieser Welt (zu denen ich mich jetzt einfach mal zähle).

Die Idee des „Internetministers“ ist spannend und wichtig. Was daraus wird, wie sie unter Umständen konkretisiert bleibt abzuwarten.

Worauf stützt sich dieser Blogpost?

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