Missbraucht Europa nicht für den Wahlkampf!

(Foto von mir)

Was ist passiert?

Allerorten scheint Wahlkampf zu sein. In meinem Bundesland, gefühlt in ganz Deutschland, und eben auch in Frankreich. Und im Wahlkampf lässt sich so gut wie jedes Thema für eben diesen missbrauchen, solange es nur genügend Aufmerksamkeit in der Wählerschaft bzw. erst einmal in den Medien generiert. So ist es in Frankreich mit der Europäischen Union geschehen, und das schon seit einiger Zeit. Die Äußerungen der Kandidaten, egal ob nun von  Sarkozy, Hollande oder jemand anderes, nehmen die Europäische Union gerne ins Visier – mit Versprechungen an ihr Wahlvolk, die sie nicht werden halten können.

Ein Appell, damit aufzuhören – stellvertretend für alle anderen Themen, mit denen gerne Polemik betrieben wird.

Was meine ich dazu?

Vor ein paar Wochen fing es an – Nicolas Sarkozy, Noch-Präsident von Frankreich, kündigte an, unter seiner Führung würde Frankreich aus der Schengenzone austreten, sollte diese nicht nach seinen Wünschen grundlegend reformiert werden – damit stellt er sich also gegen ein Herzstück der Europäischen Union, der freien Mobilität von Personen. Francois Hollande, sein ärgster Konkurrent, zeigte sich unzufrieden mit dem bisherigen Management der Finanzkrise, und versprach einen neuen Rettungskurs hin zu „Wachstum“ anstatt „Sparen“. Die Kandidatin Marine Le-Pen äußerte sogar, Frankreich aus der Eurozone nehmen zu wollen. Und so weiter und so fort, die BBC hat in einem Artikel diese Aussagen schön zusammengefasst, da will ich sie gar nicht alle aufführen (Hewitt 2012).

Was ist von solchen Aussagen zu halten? Darf man sie glauben? Es ist Wahlkampf – was darf man da überhaupt glauben, wenn ich das zynisch fragen darf? Im Falle der Aussagen zur Europäischen Union ist die Frage, was nach der Wahl getan wird, aus meiner Sicht einfach zu beantworten:

Natürlich wird Frankreich das vollmundig Angekündigte nicht tun, das alles nicht.

Warum nicht? Die Deutsch-Französische Achse war und ist noch immer das mächtigste Zweiergespann der Europäischen Union, sogar der Motor der Integration. Warum sollte Frankreich, egal ob nun unter Sarkozy oder nicht, diese Machtposition aufgeben wollen, indem es seinen Partner über alle Maßen verärgert? Schon gar nicht, wenn Sarkozy an der Macht bleibt, denn das Duo Merkel-Sarkozy, von den Medien schon fast liebevoll „Merkozy“ genannt, wird nicht auf einmal vollkommen neue Wege geben, nur, weil es zwischendurch einen Wahlkampf gegeben hat. Außerdem muss ein langwieriger Prozess in Gang gesetzt werden, ehe auch nur irgendetwas in der Richtung passiert, viele Institutionen (die französischen Abgeordneten im Europäischen Parlament, natürlich auch die französische Nationalversammlung selbst, etc. …) entscheiden mit. Nur, weil der Präsident zetert, heißt das nicht, dass sofort etwas passiert, auch, wenn die Regierung eines Landes das gerne mal so glauben machen möchte.

Darüber hinaus, dass all diese Versprechen mehr als nur unrealistisch sind, schadet dieser Rückzug ins Nationale und damit starke Ablehnung dem Ansehen der Europäischen Union erheblich. Es wird damit argumentiert, dass ein euroskeptischer(er) Kurs der Wille des Volkes sei – aber solch ein „Wille“ fällt nicht einfach vom Himmel. Nein, er wird politisch gefestigt. Und solche Aussagen, solch’ ein Getöse, das leider von den Medien immer weiter und weiter getragen wird, teils reflektiert, meistens nicht, schwören so ein Stimmungsbild quasi herauf.

Alle diese getätigten Aussagen ignorieren, dass Frankreich nicht nur seit Gründung der Vorgängers der Europäischen Union, der Montanunion und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ein führender Teil des Ganzen ist und all diese Maßnahmen, gegen die jetzt publikumswirksam gewettert wird, auch heute Frankreich noch gut tun. Was würde passieren, würde Frankreich wird aus der Schengenzone und aus der Eurozone austreten? Das Klagegeschrei der französischen Wirtschaft kann ich jetzt schon hören. Das ist alles nicht durchdacht, das soll nur Stimmen bringen. Und gerade das enttäuscht mich, aber es könnte um ein weiteres Mal sein, dass ich einfach zu idealistisch eingestellt bin. Und finde, dass man mit seinen eigenen Errungenschaften, für die man noch für ein paar Monaten mit Herzblut gekämpft hat, nicht so fahrlässig umgeht.

Fazit

Das, was gerade in Frankreich stattfindet, kann und sollte man als allgemeines Wahlkampfgetöse abtun. Tue ich auch – aber dennoch ärgert es mich. Warum den Wähler so an der Nase herumführen, warum so populistisch werden, wo doch jeder, der sich auch nur fünf Minuten damit beschäftigt, dieses Getöse als solches schnell entlarven kann? Was bringt es dann noch? Anscheinend eine Menge im Wahlkampf. Aber die Realität sieht am Ende, nach dem Wahlkampf, wenn der politische Alltag einsetzt, dann wieder ganz anders aus, und lässt dann zwangläufig enttäuschte Wähler zurück.

Und nicht nur enttäuschte Wähler, sondern den gesamten Komplex „Europäische Union“ als thematisch verbrannt. Und dabei sollte gerade Frankreich als eine der führenden Nationen dafür kämpfen, dass „Europa“ ein höheres Ansehen bekommt. Denn – es sind nie „die anderen“ gewesen, die all diese Dinge, gegen die nun gewettert wird, beschlossen haben. Nein, Frankreich war immer ganz vorne mit dabei, und wird es in Zukunft auch bleiben.

Es gibt natürlich noch viele andere Themen, die so für mehr als bloß kurzfristige Ziele, wie hier den Wahlkampf, missbraucht werden. Die Europäische Union liegt mir besonders am Herzen, daher steht sie hier stellvertretend für alle anderen – der Tag, an dem mit wichtigen Errungenschaften kein Schindluder mehr betrieben wird, werde ich vielleicht ohne steigenden Blutdruck Wahlkämpfe verfolgen können.

Worauf stützt sich dieser Blogpost?

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